Sabrina von Nessen ist Vorstandsmitglied eines IT-Unternehmens und nebenberufliche Speakerin, Mentorin und Autorin. Ihr Buch „Female Empowerment–Women in Tech“ ist ein kompetenter Wegweiser für weibliche Karrierestarter, angehende Führungskräfte und Unternehmerinnen, die zuversichtlich ihren Erfolg vorantreiben und ihre Ziele erreichen wollen. In diesem Interview erzählt die proTechnicale Botschafterin von ihrem Werdegang, gibt Tipps für junge, technikinteressierte Frauen und verrät, wer ihre Vorbilder sind.
Liebe Sabrina, du hast dir das Thema Emotional Leadership auf die Fahne geschrieben. Was versteht man darunter genau?
In der Tat liegt mir das Thema Emotional Leadership sehr am Herzen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Führungsstil oder erlerntes Verhalten wie man vielleicht vermuten könnte. Vielmehr geht es darum, sich selbst zu kennen und seine eigenen Emotionen – auch und insbesondere im Business Kontext – zu kennen und zu akzeptieren. Wer sich als Führungskraft seiner eigenen Werte und Gefühle bewusst ist, wird erfolgreich Teams leiten. Davon bin ich überzeugt. Kommunikation und Konfliktlösung sind dabei Schlüssel zum Erfolg. Allerdings ist dies gerade im technischen Umfeld oftmals noch schwierig. Wir müssen verstehen, dass der Mensch eine ganz zentrale Rolle in einer immer technischer werdenden Welt einnimmt.
Emotionen sind übrigens ganz einfach gesagt nichts anderes, als ein chemischer Ablauf im menschlichen Körper. Wenn man das verstanden hat, kann man lernen, diesen Prozess zu gestalten und positiv zu beeinflussen.
Wie kam es zu deinem besonderen Interesse an diesem wichtigen Thema?
Meine ganz persönlichen Erfahrungen haben dazu geführt, dass ich mich intensiv mit emotionaler Führung auseinandergesetzt habe. Als junge Führungskraft ging es mir mit Anfang 20 hauptsächlich um Erfolg, Geld und Status. Ich war zwar auf der Suche nach Inspiration und Mentoren, um zu lernen, wie man ein Team leitet. Meine ersten Führungserfahrungen basierten aber größtenteils auf dem Prinzip „Trial and Error“. Damals habe ich noch nicht verstanden, dass Führung eben keine Frage des Management Stils ist, sondern eine Haltung im Leben. Wenn das Team nicht leistungsstark war, habe ich es auf die Mitarbeiter geschoben und nicht selbst reflektiert. Meine damalige Mentorin hat mich darin leider noch bestärkt. Mit Ende 20 habe ich dann meine ursprüngliche Motivation in Frage gestellt und mich das erste Mal mit der Wichtigkeit der Emotionen im Kontext von Führung auseinandergesetzt. Man muss sich einfach mal die Frage stellen, was Karriere und Erfolg für einen selbst bedeuten. Geld spielt natürlich eine Rolle, aber darüber hinaus gibt es noch viele andere Faktoren. Nur wer reflektiert und sich mit seinen Werten und Emotionen beschäftigt, wird herausfinden, was sie/ihn antreibt. Gemäß dem proTechnicale Leitsatz: Werde, die du bist!
Vor etwa einem Jahr hast du gemeinsam mit Sandrine de Vries das Buch “ Female Empowerment–Women in Tech “ veröffentlicht. Wie kam es dazu? Was hat den Anstoß dazu gegeben? Und wie waren die Reaktionen bisher?
Ich wurde oft von Frauen angesprochen, die sich nicht sicher waren, ob sie den Weg in die Tech-Branche einschlagen sollten. Ich habe es über die Jahre nie als außergewöhnlich wahrgenommen, als Frau Vorständin eines IT-Unternehmens zu sein. Doch nach und nach wurde mir bewusst, dass es eben nicht selbstverständlich ist. Nach vielen persönlichen Gesprächen mit interessierten Frauen habe ich beschlossen, das Bild der Tech-Branche klarzustellen und dabei auf die Zweifel der Frauen einzugehen. Da ich selbst unheimlich gerne Bücher lese, stand das Format dann ziemlich schnell fest und mit Sandrine hatte ich eine tolle Co-Autorin an Bord, die auch noch mal andere Sichtweisen eingebracht hat. Statt eines Sachbuches wollte ich die persönlichen Geschichten von Rollenvorbildern zu Papier bringen. Ein Gespräch von Mensch zu Mensch sozusagen. Ich denke, das ist ganz gut gelungen und die Resonanz war großartig!
Hast du das Gefühl, als Frau in der Tech-Szene eine besondere Stellung zu haben?
Wie gesagt habe ich lange gar nicht wahrgenommen, dass ich fast immer nur mit Männern zusammengearbeitet habe. Das mag auch daran liegen, dass ich gerne mit Männern arbeite und es meistens als sehr angenehm empfand. Allerdings glaube ich auch, dass Lösungen aus Vielfalt entstehen und es definitiv mehr Frauen im technischen Bereich braucht!
Aus der Distanz reflektiert war mein Werdegang natürlich schon etwas schwerer, als der meiner männlichen Mitstreiter. Das hat mich aber nie davon abgehalten, meine Ziele erfolgreich zu verfolgen.
Mit welchen Herausforderungen hattest du während deines bisherigen Karriereverlaufs zu kämpfen? Und wie hast du sie überwunden?
Rückblickend muss ich schon sagen, dass das Geschlecht im Berufsleben eben doch noch immer eine Rolle spielt. Da gab es einige unüberlegte Momente und Bemerkungen der männlichen Kollegen. Nicht umsonst heißt es immer noch „think manager, think male“. Das ist ein gesellschaftliches Thema und Frauen in (Führungs-) Positionen müssen da einfach Stellung beziehen. Die Einzelne wird die Welt nicht verändern, aber sie kann Akzente setzen als Teil der Gesellschaft und als Unternehmerin. Das ist mir wichtig und deswegen engagiere ich mich ehrenamtlich für diverse Frauenförderprogramme, wie beispielsweise proTechnicale. Wir müssen das Selbstbewusstsein junger Frauen stärken und Vorbilder ins Rampenlicht rücken. Frauen können und wollen Technik.
Wer hat dich in deinem Werdegang am stärksten unterstützt? Hattest du Vorbilder, die deinen Werdegang beeinflusst haben?
Ich habe nicht das eine Vorbild, sondern eher mehrere Vorbilder in unterschiedlichen Bereichen. Vor allem interessiert mich, was die Menschen zu dem gemacht hat, wer sie sind. Mich faszinieren persönliche Geschichten und Schicksale. Wahnsinnig spannend finde ich beispielsweise den Werdegang von Ruth Bader Ginsburg, die aus einfachen Verhältnissen und einem Elternhaus mit Migrationshintergrund kam. Ich bin kein sehr politischer Mensch, aber auch die persönliche Geschichte von Barack Obama finde ich beeindruckend. Fehler eingestehen, aktiv reflektieren und Emotionen zulassen – das imponiert mir mehr als geradlinige Biografien.
Welche Empfehlungen hast du für junge Frauen, die sich für eine Karriere in der Technik interessieren?
Jungen Frauen möchte ich vor allem raten, sich auszuprobieren. Hebt die Hand, wenn Freiwillige gesucht werden! Auch wenn ihr noch nicht wisst, wie ihr die Aufgabe bewältigen sollt. Ihr werdet es meistern! Stellt euch neuen Herausforderungen und lernt viele verschiedene Menschen kennen. Daran werdet ihr wachsen. Gleichzeitig möchte ich junge Frauen ermutigen, sich selbst den Druck zu nehmen. Ihr müsst nicht jetzt schon wissen, was ihr ein Leben lang machen wollt. Es gibt sowieso nicht den einen geradlinigen Karriereweg. Ihr habt Zeit, euch auszuprobieren und verschiedene Dinge zu erkunden. Nehmt sie euch! So lernt ihr euch, eure Bedürfnisse und Wünsche und auch Talente am besten kennen!
Seit einiger Zeit engagierst du dich ehrenamtlich als Botschafterin für proTechnicale. Was gefällt dir an dem Programm besonders?
Ich finde es toll, dass proTechnicale – bildlich gesprochen – einen geschützten Raum für junge, MINT interessierte Frauen bietet. Zudem überzeugt das Programm mit einer unglaublichen Vielfalt: von Einblicken in die Technik, über Praktika bis hin zu Seminaren in Persönlichkeitsentwicklung. Bei proTechnicale haben junge Frauen die Zeit und den Raum, sich weiterzuentwickeln und ihren Traumberuf zu erkunden.
Und zu guter Letzt: Wenn Du eine berühmte Persönlichkeit – egal ob lebendig oder tot – treffen dürftest: Wer wäre es und warum?
Ich verfolge seit geraumer Zeit die australische Komikerin Celeste Barber und finde ihre Authentizität toll! Auch schwere oder eher bedrückende Themen bringt sie mit einer Leichtigkeit rüber, die zum Nachdenken anregt ohne zu deprimieren. Mit ihr würde ich mich gerne mal persönlich austauschen.
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