Im Rahmen von ProTechnicale haben wir Teilnehmerinnen regelmäßig die Möglichkeit mit ehemaligen Teilnehmerinnen zu sprechen, um uns mit ihnen über ihr Studium und ihren Weg nach ProTechnicale auszutauschen. Dabei hatten wir unter anderem ein Gespräch mit Christina und Luisa aus dem 10. ProTechnicale Jahrgang, die uns von ihrem Aerospace-Studium an der TUM in München berichteten. Nachdem uns allen der „Was machst du so-Abend“ sehr gut gefallen hat, haben wir (Barbara und Sophie) uns noch einmal mit Christina zu einem Interview getroffen. Luisa ist etwas später zu unserem Gespräch dazugekommen.
Sophie: Könnt ihr euch kurz vorstellen und erklären was ihr jetzt gerade macht?
Christina: Wir waren 2020/21 in Hamburg, also als zehnter Jahrgang und sind jetzt seit Oktober 2021 in München an der TUM. Dort studieren wir Aerospace, was eigentlich nur Luft und Raumfahrttechnik ist, aber auf Englisch.
Um Verwechselungen zu „Aerospace Engineering“ der TUMAsia in Singapur zu vermeiden, nennt sich der Studiengang in München nur „Aerospace“, obwohl dies natürlich nur die Hälfte der korrekten Übersetzung von Luft- und Raumfahrttechnik ins Englische ist.
Sophie: Wie sieht euer Studium genau aus? Welche Fächer habt ihr?
Christina: Ich würde sagen, das unterscheidet sich nicht so groß von Maschinenbau. Am Anfang jedenfalls, da werden lediglich immer wieder Bezüge zur Luft- oder Raumfahrt hergestellt, was in anderen Ingenieurwissenschaften nicht der Fall ist. Im ersten und zweiten Semester hatten wir Mechanik, Mathe, Computational Foundations, Materialwissenschaften und Elektrotechnik. Außerdem gab es noch CAD und technisches Zeichnen, was fast nur CAD ist. Man lernt zwar die Grundlagen [von technischem Zeichnen], aber auf Papier gezeichnet haben wir nicht. Was im ersten Semester besonders Spaß gemacht hat, war Introduction to Aerospace, wo es wirklich explizit um Themen der Luft- und Raumfahrttechnik ging.
Diese Module hat man teils über mehrere Semester. Später kommt dann auch Thermodynamik, Fluidmechanik, Heat Transfer und Regelungstechnik sowie Aerospace Structures & Elements dazu. Ab dem vierten Semester merkt man den Unterschied zu Maschinenbau stärker, wenn es dann um Wahlmodule geht, in denen man seine Interessen im Bereich der Luft- und Raumfahrt vertiefen kann.
Barbara: Wie schwer ist es auch Fachbegriffe auf Englisch zu haben?
Christina: Für mich war das nie ein Problem, weil ich mit vielen englischen Einflüssen aufgewachsen bin und mich in der Sprache immer sehr wohl gefühlt habe. Aber auch meine Unifreunde, die Englisch nur aus der Schule können, haben keinerlei Probleme. Die Begriffe sind tatsächlich gar nicht so unterschiedlich. Man lernt alles einfach auf Englisch und weil das eh neue Konzepte sind, ist es nicht anders als würde man etwas Neues inklusive Fachbegriffe auf Deutsch lernen. Umgekehrt ist es fast schwieriger, wieder umzudenken, wenn es Literatur oder Übungsaufgaben nur auf Deutsch gibt und man sich an die deutsche Terminologie gewöhnen muss. Als Deutsche an einer deutschen Uni auf Englisch zu studieren, ist in dem Fall wahrscheinlich leichter, als für Studenten aus dem Ausland, die nicht nur mit Englisch, sondern teils auch mit Deutsch konfrontiert werden.
Sophie: Profitiert ihr heute noch teilweise aus Inhalten von ProTechnicale, also kannst du dir Sachen anrechnen lassen?
Christina: Wir konnten uns beide CAD anrechnen lassen. Es ist ein enormer Druck, der im ersten Semester in der Klausurenphase auf einem liegt, weil man auch beispielsweise Mathe 1 und Mechanik 1 bestehen muss bzw. zwei Versuche hat. Da ist man froh, wenn man eine Klausur weniger hat, weshalb uns die Anrechnung so wichtig war. Es war ein riesen hin und her, da muss man wirklich hartnäckig sein – aber es hat sich gelohnt. Abgesehen von den inhaltlichen Sachen, profitieren wir alle aber natürlich wahnsinnig von den Kontakten und den Freundschaften, die wir bei proTechnicale gewonnen haben. Ich weiß, die anderen Mädels studieren größtenteils auch etwas in die Richtung und ich kann mich an sie wenden, wenn ich Hilfe brauche. Oder wenn ich mal Frust rauslassen möchte, habe ich jemand, der mir zuhört, der das versteht, den ich besser kenne als jemanden, den ich gerade neu kennengelernt habe.
Barbara: Wusstet ihr denn vorher schon, was ihr studieren wollt? Oder ist es mit ProTechnicale klarer geworden?
Christina: Luisa hatte sich für Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart beworben, als es den Studiengang in München noch nicht gab und bevor sie bei proTechnicale angenommen wurde. Sie wusste also schon vorher, dass es in diese Richtung gehen soll und hat sich durch die Zeit in Hamburg nochmal bestätigt gefühlt.
Ich komme aus der Nähe des Frankfurter Flughafens und alles drehte sich immer um Flughafen und Flugzeuge. Da wusste ich früh, ich möchte was in die Richtung machen. Ich habe an der Schule ein paarmal drüber nachgedacht, aber irgendwie dachte ich mir „Nee“, das ist vielleicht zu technisch, weil ich eigentlich an allem interessiert bin. Meine Leistungskurse waren Geschichte und Englisch. Das schreit jetzt nicht gerade Technik. Aber durch ProTechnicale habe ich dann gemerkt, das ist das, was ich machen möchte. Während meines Praktikums beim DLR wurde ich gefragt, was meine Studienpläne seien und als ich dann von meinen Überlegungen erzählt habe, meinten alle nur, wenn ich nicht nach München gehen würde, würde ich es bereuen. Und ich denke, das stimmt. Wenn man so eine Möglichkeit hat, dann sollte man sie auch ergreifen.
Barbara: Ich würde vielleicht noch eine kurze Anschlussfrage dazu stellen. Und zwar hat es dir geholfen zu wissen, dass es noch mehr Frauen gibt in diesem Beruf oder mehr Mädchen in deinem Alter, die das interessiert?
Christina: Es hat mich nie gestört, auch als ich klein war nicht, dass sich neben mir hauptsächlich Jungs oder Männer für Technik interessieren. Aber zu sehen, dass andere Mädchen und Frauen das auch machen, hat mir noch mal gezeigt, dass das Geschlecht zwar total egal ist, ich aber auch nicht alleine bin. Ich wusste, dass es andere auch interessiert und dass ich wahrscheinlich, wenn ich nach München gehen würde oder generell irgendwas Technisches studiere, nicht in ein Loch voller Männer fallen würde. So ein Bild hat man ja häufig, auch wenn das in dem Maße gar nicht mehr ganz der Realität entspricht und sich immer mehr Frauen für ein Ingenieurstudium entscheiden. Aber man freut sich ja schon, wenn man Kommilitoninnen hat, die das auch nachvollziehen können und sich so eine Gemeinschaft bildet.
Insgesamt muss ich aber auch sagen, dass das Geschlecht in meinem Studienalltag wirklich keine Rolle spielt
Sophie: Und allgemein wie findest du dein Studium an der TUM? Würdest du es weiterempfehlen und wenn ja, für wen?
Christina: Ja, ich würde es für jeden weiterempfehlen, außer vielleicht wirklich für Leute, die sagen, sie wollen mehr anpacken. Das kann man zwar in studentischen Gruppen, aber dennoch hat die TUM, wie eigentlich alle Universitäten, den Ruf, sehr akademisch zu sein. Viele Leute sind im Bachelor da, machen ihren Master da, dann ihren Doktor, sind anschließend Professor oder Professorin und haben irgendwie noch nie die Außenwelt gesehen. Und das ist für viele Arbeitgeber vielleicht nicht ganz so attraktiv, weil sie Leute haben wollen, die mehr im Geschehen drin sind. Dann ist man vielleicht besser auf einer Hochschule aufgehoben, aber die Frage Hochschule – oder Uni stellt sich bei nahezu jedem Studiengang. Wenn man aber weiß, dass man an einer Universität studieren möchte und sich für Luft- und Raumfahrt interessiert, ist die TUM eine sehr empfehlenswerte Adresse.
Man muss aber auch sagen, die TUM ist sehr anspruchsvoll, das kann man nicht schönreden. Du wirst mal durchfallen. Du wirst mal merken, das ist nicht so leicht und das ist auch okay. Damit lernt man umzugehen, wenn man von seinem Studium überzeugt ist. Dann wird man es versuchen.
Barbara: Und, wo möchtest du damit hin? Also, was ist dein Ziel?
Christina: Ich möchte auf jeden Fall einen Master machen, da das auch so üblich ist. Ich möchte eher in die zivile Luftfahrt, aber ich bin anderen Sachen gegenüber nicht abgeneigt. Aktuell bin ich erstmal für alles offen, aber das ist auch im Studium, vor allem im Bachelor, sehr schwer einzuschätzen. Einen Traum, den ich mir mit vielen meiner Kommilitonen und Kommilitoninnen nicht teile, ist ins All zu fliegen. Astronautin zu werden, kann ich mir nicht vorstellen. Aber sonst: Mal gucken.
Barbara: Das wäre nämlich die nächste Frage gewesen. Wenn du jetzt mehr in die Richtung formuliert hättest, da gibt es auch ein paar Leute auch bei uns im Jahrgang, die gerne schon immer Astronautin werden möchten, dann würde sich das ja anbieten mit diesem Studiengang.
Christina: Luisa möchte Astronautin werden, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Und es gibt auch eine Astronautin aus Italien, Samantha Cristoforetti, die im Herbst 2022 das Kommando auf der ISS hatte, die an der TUM war. Sie hat Maschinenbau studiert und sich dann auf Luft- und Raumfahrt spezialisiert. Diese Option gibt es weiterhin und wird auch von vielen anderen Universitäten angeboten. Der Vorteil bei Aerospace ist, dass es diese Spezialisierung schon viel früher gibt. Wenn man also ins All fliegen möchte, bietet sich dieser Studiengang tatsächlich sehr an, zudem wir bis vor kurzem auch den Astronauten Ulrich Walter als Professor an der TUM hatten, bevor er in den Ruhestand gegangen ist.
Generell gibt es an der TUM aber auch große Studentische Gruppen, die sich mit Weltraummissionen beschäftigen. Da hat man dann die Möglichkeit, sich noch intensiver und auch praktischer mit der Raumfahrt auseinander zu setzen.
Barbara: Was kann man sich unter studentischen Gruppen vorstellen?
Christina: Studentische Gruppen sind wie AGs in der Schule. Je nachdem zu welcher Gruppe man möchte ist es auch ein bisschen anders. Einfach gesagt arbeitet man an der Uni mit anderen Studenten und Studentinnen im Team innerhalb einer größeren studentischen Gruppe an einem Projekt und kann so das theoretisch Gelernte praktisch anwenden und/oder sein Wissen erweitern. Im Aerospace Bereich findet man dabei alles von Drohnen und Flugzeugen bis zu Satelliten, Raketen und Rovern.
Das war der erste Ausschnitt unseres Interviews. Im zweiten Teil erzählen Luisa und Christina mehr über ihren Studienalltag und den Kontakt zu den anderen proTechnicale-Teilnehmerinnen. Ihr könnt gespannt bleiben.